Betrug in der Wissenschaft
Hinterlasse einen Kommentar14. Februar 2013 von ibohnet
Ilja Bohnet im Interview mit Dr. Nikola Rührmann, Gründerin und Vorsitzende der Stiftung zur Rettung der Welt – eine Stiftung zur Förderung des literarischen Schreibens.
Nikola Rührmann: Lieber Ilja Bohnet, was verleitet zum Wissenschaftsbetrug?
Ilja Bohnet: Warum fragen Sie mich das? Und nicht sich selbst?
Nikola Rührmann: Na, in Ihren Büchern geht es doch um Wissenschaftler, die betrügen.
Ilja Bohnet: Nicht alle Betrüger in meinen Büchern sind Wissenschaftler.
Nikola Rührmann: Außerdem sind Sie selber einer.
Ilja Bohnet: Ein Betrüger?
Nikola Rührmann: Wie auch immer, außerdem stelle ich hier die Fragen. Betrug in der Wissenschaft – das Thema ist gerade wieder in aller Munde.
Ilja Bohnet: Wirklich? Wenn Sie auf die aktuellen Plagiatsaffären anspielen: Hier geht es doch mehr um den profanen Diebstahl wissenschaftlichen Eigentums.
Nikola Rührmann: Der in Zeiten der elektronischen Medien und von Open Access und dank der „Copy Paste“-Funktion ein im Wissenschaftsbetrieb häufig anzutreffendes Missbrauchsdelikt darstellt.
Ilja Bohnet: … im Kulturbetrieb allgemein bitteschön…Wobei ich behaupten möchte, dass der Klau geistigen Eigentums gerade dank der Existenz der elektronischen Medien und von Open Access viel leichter auffliegt. Außerdem spielt dieser Klau in den Naturwissenschaften keine sehr große Rolle.
Nikola Rührmann: Also gut. Fragen wir nicht nach Plagiatsdelikten, sondern nach dem Wissenschaftsbetrug. Was bedeutet für Sie denn Wissenschaftsbetrug?
Ilja Bohnet: Die Manipulation des Abbilds von Realität zugunsten einer idealen Vorstellung von Welt.
Nikola Rührmann: Also die Fälschung von Daten, damit sie reinpassen ins Modell.
Ilja Bohnet: Genau, die Fälschung von Messdaten, um sie besser ins Bild einzufügen. Man macht sich als Naturwissenschaftler ein Bild von der Welt, die Messungen sollen dieses Bild nach Möglichkeit bestätigen. Der schlechte Wissenschaftler passt die Daten seinem Bild von Welt an, der gute Wissenschaftler beginnt sein Bild von der Welt zu hinterfragen, wenn die Messdaten nicht hineinpassen. So hat es beispielsweise Johannes Kepler getan, als er durch die Analyse der Messdaten des Astronomen Tycho Brahe erkennen musste, dass sich die Planeten, anders als in seinem göttlichen Weltbild angenommen – Kepler war ein zutiefst religiöser Mensch – dass sich die Planeten nicht auf idealen Bahnen, nämlich Kreisbahnen bewegen, sondern auf Ellipsen, also quasi um die Sonne „herumeiern“.
Nikola Rührmann: Jedem Wissenschaftler muss doch klar sein, dass seine Forschungsergebnisse einer kritischen Prüfung unterzogen und nur dann von der Wissenschaftsgemeinschaft akzeptiert werden, wenn sie für alle nachvollziehbar und reproduzierbar erscheinen.
Ilja Bohnet: Folglich dürfte jeder Wissenschaftsschwindel irgendwann einmal auffliegen. Das System „Wissenschaft“ ist so gesehen inhärent sicher. Forschung, die der Forschergemeinschaft relevant erscheint, wird geprüft.
Nikola Rührmann: Und trotzdem kommt es in den Naturwissenschaften immer wieder zu spektakulären Betrugsskandalen, ausgelöst durch sensationelle Behauptungen, die sich später als völlig haltlos erweisen, weil sie auf mehr oder weniger plump gefälschten Forschungsergebnissen basieren. Größenwahn alleine kann diese Art des Fehlverhaltens nicht erklären, oder doch?
Ilja Bohnet: Der fälschende Wissenschaftler muss leidenschaftlich an den Sinn seiner Fälschung glauben. Warum sonst sollte er das Wagnis der Entlarvung eingehen, wenn er nicht felsenfest davon überzeugt ist, im Grunde genommen richtig zu handeln. Der feste Glaube, grundsätzlich auf dem rechten Weg zu sein, kann in der Tat ein Motiv für Wissenschaftsbetrug sein. Also zumindest für sehr spektakulären Wissenschaftsbetrug, der zu Erdeben in der Forschergemeinde führt.
Nikola Rührmann: Inwiefern ist dabei bedenkenswert, dass der existenzielle Druck auf Wissenschaftler immens ist?
Ilja Bohnet: Unbedingt! Das muss man bedenken: die Notwendigkeit, möglichst viel zu publizieren, zitiert und in der Wissenschaftsgemeinde wahrgenommen zu werden, um damit weiterhin Forschungsförderung einzuwerben und die eigene Existenz zu sichern, dies alles vor dem Hintergrund einer mehr und mehr innovationsorientierten Erwartungshaltung seitens der Öffentlichkeit, die angesichts der wachsenden Komplexität von Grundlagenforschung schlicht überfordert erscheint. Leidenschaftlicher Idealismus, flankiert von Größenwahn, Erfolgsdruck und dem Gefühl, der wissenschaftlichen Wahrheitsfindung nur ein ganz klein wenig auf die Sprünge helfen zu müssen, aus diesem psychologischen Konglomerat könnte sich das Motiv für den Wissenschaftsbetrug bilden, da bin ich mir sicher …
Nikola Rührmann: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.