10 Fragen zum Tatmotiv – heute an Thomas Naumann

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25. Juni 2022 von ibohnet

Eine Gesprächsreihe mit Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern rund um das persönliche Motiv ihres kulturellen Schaffens. Heute mit dem Teilchenphysiker Thomas Naumann.

Thomas Naumann (links) und Ilja Bohnet (rechts) bei einer Lesung 2022. Foto: Alex Donat

Im Mittelpunkt des vorliegenden Blog-Beitrags steht der Teilchenphysiker Thomas Naumann. Er leitete bis 2020 die Gruppe Teilchenphysik am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Zeuthen, arbeitete viele Jahre am berühmten Large Hadron Collider (LHC) des europäischen Kernforschungszentrums CERN und war Honorarprofessor an der Universität Leipzig. Naumann ist Mitglied im Beirat des Einstein-Forums Potsdam und verzeichnet unter anderem zahlreiche populärwissenschaftliche Veröffentlichungen zu den Grundfragen der Physik und Kosmologie. Mit dem Betreiber dieses Blogs hat er unlängst ›Das rätselhafte Universum‹ im KOSMOS-Verlag veröffentlicht. Daneben gilt er als ausgewiesener Kenner des Lebens und Werks von Bertolt Brecht, was ihm vielleicht in gewisser Weise in die Wege gelegt wurde, ist er doch der jüngste Spross des Schriftstellers Friedrich Wolf, dem Vater von Konrad und Markus Wolf.  

Der Poet unter den Physikern

1. Thomas, Du bist Teilchenphysiker und setzt Dich seit Jahren intensiv mit Wissenschaftskommunikation auseinander. Was ist Dein Motiv?

Menschen brauchen ein Weltbild. Das sollte auf Wissen beruhen. Dieses Wissen müssen wir Wissenschaftler den Menschen nahebringen.

2. Du verknüpfst Deine Öffentlichkeitsarbeit häufig mit Bertolt Brecht und Albert Einstein. Was steckt dahinter?

Brecht betrachtete die Welt präzise und analytisch. Er wollte das ‚Theater des wissenschaftlichen Zeitalters‘ schaffen. Das hat mich immer begeistert.

Wie Einstein interessiert mich, ob Gott die Welt hätte anders machen können. Wie er habe ich Lust, dem Alten in die Karten zu schauen. Und ich bewundere die Schönheit und Harmonie dieser Welt. Kosmos heißt schließlich Schönheit, Harmonie und Ordnung.

3. Worin siehst Du das grundlegende Motiv des Naturwissenschaftlers, und was sind die Voraussetzungen des naturwissenschaftlichen Denkens?

Das Wichtigste, was uns vom Tier unterscheidet, ist unsere Neugier. Wissen wollen ist Lust und Laster zugleich. Wir haben den Apfel vom Baum der Erkenntnis gekostet – und das Paradies verloren.

Auch Wissenschaftler haben einen Glauben. Wir glauben daran, dass wir unsere Welt erkennen können. Brechts Galilei sagt, ohne diesen Glauben an die menschliche Vernunft könne er nicht aus dem Bett aufstehen.

Und wir glauben daran, dass es Gesetze gibt hinter den Erscheinungen. Das ist eine Voraussetzung unseres Denkens. Diese Idee eines Gesetzes stammt aus dem Judentum. Gott gab am Berge Sinai seinem Volk die Gesetze.

4. Gibt es ein spezifisches, immer wiederkehrendes Thema in Deiner Auseinandersetzung mit Wissenschaft?

Die Frage: Was ist Wahrheit? Was ist das Gesetz?

Was ist das Verhältnis von Wahrheit und Schönheit?

5. Welche schriftstellerischen Vorbilder hast Du, im Sachbuchbereich, in der Belletristik? Oder alternativ: Gibt es einen Lieblingssatz?

Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens.

6. Was macht für Dich gutes Schreiben aus?

Klarheit und Intelligenz, aber auch starke poetische Bilder.

7. Woran schreibst Du zurzeit?

Ich arbeite an der Geschichte meines Instituts, des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY in Zeuthen.

8. Welche Rolle spielt der Zeitgeist für Dich?

Ich nehme ihn zur Kenntnis, aber er ist mir ziemlich egal. Ich trotte ihm nicht hinterher wie ein Vieh in der Herde. Und ich hasse Ideologien, denn sie führen meist zur Gewalt.

9. Was würdest Du Dir für Deine Arbeit als Schriftsteller und Wissenschaftskommunikator wünschen?

Ich möchte so intensiv wie möglich an den Diskussionen zu den großen wissenschaftlichen und politischen Fragen der Zeit mitwirken.

10. Welche Frage würdest Du Dir überdies gerne zum Abschluss selber stellen?

Woraus ist die Welt entstanden? Folgte sie einem Gesetz, einer Idee, wie Plato dachte? Und wenn ja – welchem? Oder entstand sie einfach, blind und chaotisch, und es ist der Mensch, der sich die Gesetze schafft? Das ist eher Aristoteles‘ Denken.

Lieber Thomas Naumann, vielen Dank für das schöne Gespräch!

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