Wissenschaftsgeschichte – Teil 3

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20. Mai 2019 von ibohnet

Von Demonstratio zu Experimento: Wie das Experimentell-Mathematische im 17. Jahrhundert Einzug hält …

Die medizinischen Untersuchungen des 17. Jahrhunderts bilden einen entscheidenden Antrieb von einem ganzheitlichen hin zu einem empirischen, auf Erfahrung und Beobachtung beruhenden Ansatz der Naturforschung. Einer der wichtigen Zusammenhänge ist hierbei auch die Entwicklung des Blutkreislaufes.

Und die Medizin des 17. Jahrhunderts ist gar nicht so, dass man jetzt sagen kann: Jetzt fangen die Leute an zu experimentieren. Experiment ist da noch “Demonstratio“. Man demonstriert etwas. Eines der wichtigsten Experimente, das bei der Entdeckung des Blutkreislaufes gemacht wurde, war beispielsweise in einer Sektion, dass jemand die entsprechenden Blutgefäße eines lebenden Tieres angestochen hat, und der Blutdruck führte dann dazu, dass ein Herzog oder Graf in der ersten Zuschauertribüne mit Blut bespritzt wurde. Und dieser Erfahrungsgehalt der Demonstration des hohen Blutdrucks war dann “Experimento“. (Olaf Breidbach)

Die Vorgehensweisen, etwa die der frühen Anatomen und Mediziner, ebenso wie die ballistischen und mechanischen Untersuchungen des Zeitgenossen Galileo Galilei (17. Jahrhundert) sind also im heutigen Sinne noch nicht experimenteller Natur.

Im Gegenteil: Galilei hat sehr viele Gedankenexperimente gemacht. Und viele seiner Experimente (beispielsweise seine Fallexperimente) sind gar nicht als Experimente gelaufen. Geht auch gar nicht, weil man von allen möglichen Einschränkungen absehen muss, also Reibung, Luft, und so weiter. Jetzt stelle man sich mal Galilei vor, der keine Vakuumpumpe hatte, der im Prinzip also nur eine reine Modellvorstellung besaß, die er dann nachvollzogen hat. Und er steht da durchaus in Traditionslinien, die aus der mittelalterlichen Geschichte herauslaufen. (Olaf Breidbach)

Trotzdem vertritt Galilei vor seinen italienischen Universitätsgelehrten, wie auch zunächst vor der katholischen Kirche, das Kopernikanische Weltbild. Das besagt, dass nicht – wie bisher mit dem geozentrischen Weltbild des Aristoteles – die Erde, sondern die Sonne den Mittelpunkt der Welt einnimmt. Folglich bewege sich die Erde als Trabant um die Sonne. Seine Behauptungen stützt er auf astronomische Beobachtungen der Monde des Planeten Jupiters, die er als einer der ersten mit einem neu erfundenen Instrument gemacht hat, dem Teleskop. Zeitgleich ereignet sich im Norden Europas ein weiterer entscheidender Schritt. in der Astronomie:

Tycho Brahe in Dänemark hat einen riesigen Sternenkatalog aufgestellt, hat dafür große Instrumente gebaut, hat vom dänischen König viel Geld dafür bekommen; und dann ist Kepler gekommen und hat sich – und Kopernikus hat zum Teil ähnliches gemacht – diese Sternenpositionen, Sternenbewegungen angeguckt und versucht, Gesetzmäßigkeiten zu finden. Aus den Gesetzmäßigkeiten haben sie dann wieder eine Theorie für die Bewegung abgeleitet, Abweichungen von Bewegungen bei gewissen Planeten beobachtet und gedacht: Aha, da muss da ja wohl noch ein anderer Planet da sein, damit die Bahnen sich so ändern, wie sie sich ändern, und dann hat man den Planeten vorhergesagt und später auch experimentell gefunden. Und das war gleichzeitig die Bestätigung der Theorie. (Olaf Breidbach)

Keplers Leistung besteht in der Akzeptanz der Tatsache, dass die Umlaufbahnen der Planeten um die Sonne nicht kreisförmig (und damit einer idealen Vorstellung folgend) verlaufen, sondern auf Ellipsenbahnen. Die sonne befindet sich in der Mitte einer der Brennpunkte der Ellipsen.

Kepler arbeitet bereits ganz mathematisch, im Sinne durchaus eines Platonismus, aber auch in dem Sinne, dass er einen Formalismus selbst als solchen wahrnimmt, also gar nicht Idealformen postuliert – diese keplerschen Planetenbahnen sind also nicht mehr ideale Kreisbahnen, sondern Ellipsen, er also Messungen traut und den Vorzug gibt. Und aus den Messungen dann approximiert er, dass bestimmte Bahncharakteristika vorhanden sind. Kepler ist aber nicht Naturwissenschaftler im heutigen Sinne, denn Kepler hatte auch eine Beschäftigung als Astrologe. (Olaf Breidbach)

(Basierend auf: Grenzen und Optionen der Naturwissenschaft, eine Hörspielproduktion des FSK von Ilja Bohnet & Bernhard Kaufmann mit den Gesprächspartnern Olaf Breidbach (Philosoph, Biologe und Kognitionsforscher), Robert Kudielka (Kunsthistoriker) und Albrecht Wagner (Physiker), Hamburg 1999)

Link zur Audio-Datei des Radiofeatures

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