Der Fall Relotius (I)

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1. Januar 2019 von ibohnet

Ausgangslage und Formulierung von Grundsatzfragen: Was macht den Fall Relotius so spannend? Was ist das Typische an diesem Fälschungsskandal, was ist das Relotiushafte bzw. Zeitungsspezifische daran? Welche politische Komponente enthält er?

Seit dem 19. Dezember 2018 geistert eine Geschichte durch die Medienwelt: Der Betrugsfall des Reporters Claas Relotius, dessen zum Teil preisgekrönte Reportagen, wie nun herausgekommen ist, auf mehr oder weniger dreist ersponnenen Fiktionen basieren. Der vielfach ausgezeichnete journalistische Nachwuchsstar arbeitete zuletzt als SPIEGEL-Redakteur. Artikel von ihm erschienen allerdings auch in anderen renommierten Zeitungen und Magazinen, wie der NZZ, der FAS, der ZEIT, der WELT, der Taz, bei Cicero und so weiter. Der dreiunddreißigjährige Relotius hat in seiner wenige Jahre umfassenden journalistischen Schaffensphase eine beeindruckende  berufliche Karriere hingelegt, die bestimmt nicht mit der Festanstellung als Redakteur beim SPIEGEL schon zum krönenden Abschluss gekommen wäre, hätte ihr nicht die Enthüllung über Relotius‘ journalistisches Fehlverhalten durch SPIEGEL-Redakteur und Arbeitskollegen Juan Moreno ein jähes Ende beschert.

Der Fall ist meiner Meinung nach sehr gut bei Wikipedia zusammengefasst. Er bildet ein gefundenes Fressen für alle medial Interessierten, nicht nur für Autoren der Wikipedia. (Vor Bekanntwerden des Fälschungsskandals existierte übrigens noch kein Wikipedia-Artikel über Claas Relotius, jetzt kann er sich rühmen, einen zu haben. Der Artikel basiert inzwischen auf mehr als fünfhundert Ergänzungs- und Änderungseinträgen, geschrieben von einer fast ebenso zahlreichen Schar von Wikipedia-Autoren (Tendenz steigend) – ein echtes Wikipedia-Gewimmel – mir drängt sich, ich bitte um Entschuldigung, das Bild von Aasgeiern auf, mit einer solchen Lust am Filetieren wird der Fall auseinandergenommen. Doch ist zu bedenken, dass jene Wikipedia-Artikel als die stärksten gelten, die ein kontroverses Thema behandeln und von vielen Autoren bearbeitet werden. Also nichts für ungut, liebe Wikipedia, du machst hier nur deinen Job, und das, wie mir scheint, ziemlich gut und effizient). Aber auch abseits der Wikipedia rezepiert, diskutiert und analysiert die mediale Welt, und insbesondere die journalistische Branche den Fall in all ihren Facetten und Nuancen (wie beispielsweise die oben genannten Zeitungsartikel belegen, aber auch die zahlreichen Tweets auf Twitter unter #Relotius).

Aber was macht den Fall Relotius so spannend? Was ist das Typische an diesem Fälschungsskandal, was ist das Relotiushafte beziehungsweise das Zeitungsspezifische daran, welche politische Komponente enthält er? Weshalb weckt er das Interesse so vieler Blogger, Twitterer, Journalisten, Publizisten, darunter auch meines? Was ist der Grund der Empörung? Wer sitzt eigentlich auf der Anklagebank? Bloß Claas Relotius oder auch der SPIEGEL und seine Quellprüfungsinstanzen? Etwa auch der Stil, die Reportage, das sogenannte Story-Telling? Oder gar das ganze Mediensystem? Welche Wirkung hat er auf den Journalismus und dessen Funktion als „vierte Gewalt“ in unserer Demokratie?

Das sind Fragen, die ich in folgenden Blogbeiträgen untersuchen möchte. Die zahlreichen Artikel, die im Internet und in den Zeitungsmedien dazu erschienen sind, erlauben schon eine Bestandsaufnahme des Falles und seiner Wirkung auf das Metier und die Branche, auch wenn zweifellos noch viele Dinge im Fluss sind, das Ausmaß der Fälschungen noch nicht abschließend feststeht, genausowenig wie das mögliche Versagen der betroffenen Zeitungsredaktionen und ihrer Instanzen für Quellprüfungen).

(Fortsetzung folgt)

 

 

 

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